Trauzeuge spricht:

Liebe liebe Gäste, liebes Brautpaar,

hättet ihr vor dem 1. Juli 1998 geheiratet, so würde ich hier quasi als offizielle „Amtsperson“ sprechen. Bis zu diesem Datum war es nämlich Pflicht, bei einem deutschen Standesamt zur Eheschließung zwei Trauzeugen zu stellen. Mit dem Eheschließungsrechtsgesetz vom 4. 5. 1998 wurde ich dann abgeschafft. Nach §1312 BGB durftet ihr als Brautpaar aber wünschen, dass es mich gibt und ich gehöre sozusagen ehrenhalber zur „Deko“ eurer Hochzeit.

Umsomehr, liebe [Name der Braut], lieber [Name des Bräutigams], fühle ich mich geehrt, dass ihr gerade mich für dieses Ehrenamt auserwählt habt. Selbstverständlich halte ich gern die dazu gehörende Gratulationsrede, die euch gehörig bewusst machen soll, dass ihr nun rechtlich einen ordentlichen Vertrag unterzeichnet habt, standesamtlich beglaubigt mit den entsprechenden Rechtsfolgen! Ihr seid hoch offiziell, amtlich in einen anderen Stand getreten, genannt Ehestand. …
Okay, ich sehe, allen Anwesenden ist diese Rechtsmaterie etwas zu trocken, zu wenig romantisch. Wechseln wir also in ein schöneres Rede-Genre:

Im Volksmund heißt es: ihr seid in den „Hafen der Ehe eingelaufen“. Eine ziemlich dümmliche Redewendung, wie ich finde. Wer in einen Hafen einläuft, für den ist die Reise vorbei. „Hafen“ signalisiert Ruhe, Segel streichen, Stillstand, Ausladen, beschauliche Langeweile, Statik … kurz: Alles was eine junge Ehe nicht gebrauchen kann! Junge Brautleute wollen doch, gerade umgekehrt,: Segel setzen, aufbrechen, loslegen, eine große Reise – nicht nur die Hochzeitsreise – beginnen. Jetzt geht’s richtig los. Ihr wolltet …